In der hintersten Ecke der Gaststube sprang ein alter zerzauster Mann auf und gestikulierte wild mit den Händen. "Ihr verschwindet besser sofort! Ich habe euch nichts mehr zu sagen."
Widerwillig erhoben sich die beiden anderen Männer, die offenbar auch nicht mehr die jüngsten zu sein schienen. "Wir kommen wieder. Dann wollen wir unseren Anteil. Sonst ..."
"Hey! Hey!" Soeben stapfte der stämmige Wirt herbei und war offenbar ziemlich verärgert. "Meine Herren! Bitte reißen Sie sich zusammen. Was auch immer zwischen Ihnen vorliegt. Klären Sie das bitte draußen!"
"Ja, ja!" winkte einer der beiden ab. "Wir gehen ja schon."
Dominik stupste Sarah an und flüsterte: "Was ist da los?"
"Keine Ahnung!" Sarah schüttelte den Kopf und beobachtete den zerzausten Mann. Missmutig blickte er den beiden anderen hinterher, als sie das Gasthaus verließen.
Der Gastwirt stand noch immer da und hatte ich Hände in die Hüften gestützt. "Heinrich, kannst du mir das erklären? Du bist doch sonst immer so ein ruhiger Gast."
"Was denn, der kennt den?" Paul staunte nicht schlecht. Er und seine Freunde konnten nicht anders, sie mussten einfach zuhören.
Langsam sank der alte Mann wieder auf seinen Stuhl und starrte auf den Tisch. "Sie ... sind mir noch immer böse. Wegen ... einer alten Sache."
In diesem Moment wurde die Tür geöffnet und neue Gäste betraten den Raum.
"Tut mir leid, Heinrich! Ich muss ich um die Gäste kümmern." Der Gastwirt stapfte davon und begrüßte seine Kundschaft.
Samuel drehte sich zu seinen Freunden und zischte: "Was machen wir jetzt?"
"Ist doch klar!", grunzte Paul. "Wir gehen der Sache auf den Grund."
"Meinst du ..." Sarah wollte noch etwas entgegnen, doch Paul war schon auf dem Weg.
"Guten Tag, der Herr!", sagte Paul freundlich. "Darf ich mich zu Ihnen setzen?"
"Dürfen wir!", korrigierte Dominik, der die anderen beiden schon im Schlepptau hatte.
Verdutzt schaute der traurige Mann auf und nickte kaum wahrnehmbar.
"Entschuldigen Sie bitte, dass wir mitgehört haben", sagte Paul. "Aber es war ... ziemlich laut."
"Ja, ja. Schon gut", murmelte er alte Mann. "Es ist sowieso egal."
Vorsichtig versuchte Sarah etwas herauszufinden. "Wir ... wollen nicht unhöflich erscheinen, aber ... mögen Sie uns erzählen, was da eben los war?"
Der alte Mann seufzte, hob die Schultern und schlürfte ein wenig an seinem Tee. "Warum nicht?" Verstohlen blickte er aus dem Fenster auf den hell erleuchteten Weihnachtsmarkt. "Es war vor einer langen Zeit. Über zwanzig Jahre ist es schon her. Ich bin ... ich meine, ich war ... ein schlechter Mensch. Aber vielleicht bin ich es noch."
"So ein Quatsch!", platzte Dominik dazwischen. "Wir sind doch alles schlechte Menschen."
Der Mann rang sich ein müdes Lächeln ab. "Das mag sein. Aber ich hab wirklich Mist gebaut. Ich war ... ein Bankräuber."
"Ein Ba...?", sprudelte es aus Dominik überrascht heraus, während Samuel ihm schnell die Hand auf den Mund legte. "Pssst! Nicht so laut!"
Leise fragte Paul nach: "Sie haben also vor rund zwanzig Jahren eine Bank ausgeraubt. Sagen Sie ... waren diese beiden Typen ihre Komplizen?"
Ohne ihn anzusehen, murmelte der Mann: "Ja, richtig. Meine ... Komplizen. Meine ... Freunde."
"Oha!", hauchte Sarah. "Aber was wollen die denn von Ihnen nach dieser langen Zeit?"
"Haben Sie sie etwa beschissen?", grinste Dominik frech.
"Dom!" Samuel blickte Dominik ernst an. "Was soll das?"
"Nein, nein!" Der alte Mann blickte die beiden an und rieb sich die Stirn. "Er hat ganz recht."
"Waaas?" Sarah machte große Augen.
"Aber ... wieso?", wollte Paul wissen.
"Nun ja ... als damals die neue Villsteiner Bank eröffnet wurde, wussten wir durch einen bestochenen Mitarbeiter genau wann die erste große Geldlieferung eintreffen würde. Es ging um eine große Menge Geld, müsst ihr wissen. Der Coup war perfekt. Wir überfielen den Geldtransporter noch vor dem Eintreffen in der Bank. Ich war derjenige, der den Transporter fahren und verschwinden lassen sollte."
Samuel runzelte die Stirn. "Aber Sie hielten sich nicht an den Plan, hab ich recht?"
Der alte Mann ächzte und lehnte sich zurück. "So ist es, mein Junge. Als ich diesen riesigen Berg an Geld sah, bekam ich auf einmal ein schlechtes Gewissen. Keine Ahnung warum. Ich ... versuchte es zu ignorieren. Aber es ging nicht. Immer wieder musste ich daran denken, dass es unrecht ist, was wir da taten. Also ... fuhr ich nicht ins Versteck, sondern weit weg und verschwand von der Bildfläche."
"Sie ließen ihre Freunde, also Komplizen im Stich?"
"Ja. Das tat ich. Deshalb kann ich Ihnen ihren Ärger auch nicht verdenken."
"Aber sagen Sie, die wollen doch nicht etwa immernoch ihren Anteil?", erkundigte sich Samuel erstaunt.
"Oh doch! Das Problem ist nur ... das Geld ist weg!"
Sarah schüttelte ungläubig den Kopf. "Mit Verlaub ... aber reich sehen Sie jetzt nicht unbedingt aus."
"Das liegt daran, dass ich es auch nicht verbraucht habe", erklärte er.
Dominik platzte neugierig dazwischen. "Wo ist das Geld denn geblieben?"
Fortsetzung folgt ...