Den ganzen Nachmittag lang war Sarah in ihrem Zimmer verschwunden und gestaltete ihre persönliche Dankstelle. Es war erstaunlich für wieviele Dinge sie dankbar sein konnte.
Als ihre Mutter sie nach einiger Zeit zum Kaffeetrinken holte, erzählte Sarah begeistert von ihren vielen Einfällen. „Ich glaube, ich sollte die Idee von der Dankstelle meinen Freunden erzählen.“
Einige Plätzchen später sagte ihre Mutter: „So, mein Schatz. Ich muss jetzt los!“
„Wo gehst du denn hin?“
„Mit einer Freundin werde ich ein paar kranke Gemeindemitglieder besuchen. Gerade in der Weihnachtszeit sind viele Menschen besonders traurig - vor allem wenn sie nicht mehr so gut zu Fuß unterwegs sind - und wünschen sich einfach ein bisschen Gesellschaft.“
Sarah legte den Kopf zur Seite und dachte nach. „Hm ... das bringt mich auf eine Idee. Also dann, bis später!“
„Tschüss!“
Voller Tatendrang flitzte Sarah in ihr Zimmer und griff nach dem Handy.
„Hallo, hier ist Paul!“
„Hi Paul! Hast du gerade was vor?“
„Äh, nö. Worum geht’s denn?“
„Ist sozusagen eine Überraschung. In zwanzig Minuten bei mir?“
„Alles klar. Ciao!“
Inzwischen rief Sarah noch bei Samuel und Dominik an.
Fast zeitgleich trafen sie alle bei Sarah zuhause ein und versammelten sich im Wohnzimmer. Gespannt erwarteten sie die Überraschung.
Dominik ließ sich aufs Sofa plumpsen und fragte gedehnt: „Aaalso ... was für eine Überraschung? Ich lieeebe Überraschungen!“
Sarah lächelte und sagte: „Nun ja, ich hoffe ihr seid nicht enttäuscht. Aber die Überraschung ist, dass wir anderen eine Überraschung machen könnten.“
„Äh, wie meinst du das?“, fragte Samuel.
„Ihr erinnert euch doch sicher noch an letztes Jahr. Da haben wir ein paar Leute besucht und ihnen unsere Bilder gezeigt und von unseren Abenteuern berichtet. Meine Idee ist nun, dass wir das diesmal etwas ausweiten. Im letzten Jahr besuchten wir fast nur Menschen, die wir schon kannten. Diesmal schlage ich vor, Leute zu besuchen, die wir noch gar nicht - oder fast nicht - kennen.“
Paul kratzte sich wie üblich am Kopf wenn er nachdachte. „Du sag mal, wie bist du eigentlich auf diese Idee gekommen?“
„Tja, also das war so ...“ Sarah berichtete von ihrer neuen Dankstelle und auch wie es dazu kam. „... und als ich bemerkte, wieviele Dinge es gibt, die wir haben – für die wir dankbar sein können – kam mir in den Sinn, dass es Menschen gibt, die einsam sind. Ich spreche nicht nur von Senioren. Wir wissen von verschiedenen – gerade auch jüngeren Menschen – aus unserem Umfeld, die viel allein sind, weil sie keinen Partner haben.“
Samuel nickte. „Gerade in der Weihnachtszeit macht das den Menschen oft zu schaffen.“
„Genau. Deshalb schlage ich vor, dass wir in den nächsten Tagen immer mal jemanden besuchen. Alte Leute, junge Leute, kranke Leute. Es gibt viele, denen wir unsere Zeit schenken können. Wir bringen selbst gebackene Plätzchen, Tee und Kaffee mit, sodass sie sich um nichts kümmern müssen. Das Ziel ist recht einfach - dadurch, dass wir uns ihnen schenken, haben sie am Ende vielleicht einen Grund zum danken. Das macht sie glücklich und zufrieden. Wenigstens ein bisschen.“
Dominik hippelte mit den Füßen herum. „Und was sollen wir da machen?“
Paul lachte. „Also da fällt uns schon was ein. Wir können Spiele miteinander spielen. Vielleicht etwas im Haushalt helfen ...“
„... oder auch einfach nur quatschen“, lachte Sarah.
„Okay!“, sagte Paul und sprang auf. „Dann auf, zum Kaffeekochen!“
„Wo gehen wir zuerst hin?“, erkundigte sich Samuel.
Sarah überlegte. „Hm, ich hätte an Herrn Bernhard Müller gedacht, Fritz' Bruder.“
Dominik riss die Augen auf: „Hardy? Der alte, mürrische Hardy? Der Typ, der uns verjagen wollte?“
„Genau der!“
Samuel trat dicht an Sarah heran. Leise sagte er: „Hast du dir das auch wirklich gut überlegt? Er wollte doch schon beim letzten Mal nichts mit uns zu tun haben.“
„Stimmt schon. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass da mehr dahintersteckt. Unser lieber Fritz Müller aus dem Bahnhof hat ja ein bisschen was erzählt. Jetzt ist Weihnachtszeit. Ich glaube, Hardy Müller ist einfach nur einsam.“ Erwartungsvoll blickte Sarah in die Runde.
„Gut. Geben wir ihm eine Chance!“, sagte Paul und ging mit Sarah in die Küche.
Fortsetzung folgt...